Reiserad

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Beschreibung

Das Reiserad (franz. Randonneur) ist ein speziell für die Bedürfnisse von Radreisenden konzipiertes Fahrrad und kann mit etwas über 50 kg Gepäck noch sicher gefahren und gebremst werden. Das bloße Anschrauben von Gepäckträgern an ein Serienfahrrad macht daraus kein Reiserad, Reiseräder haben eine andere Rahmengeometrie und sind auf die größeren Belastungen durch stabilere Materialien und größere Wanddicken der Rahmenrohre ausgelegt. Typische Belastungsgrenzen der Gepäckträger sind:

  • hinten bis zu 40 kg, meist jedoch ca. 25 kg
  • Lowrider jeweils 12 kg
  • vorne 5 kg
  • Lenker 2,5 kg

Diese Werte sind je nach Hersteller verschieden, sollten aber in etwa eingehalten werden, um die Lenkbarkeit des Fahrrades zu erhalten. Viel höhere Gewichte würden zudem bedeuten, dass das Fahrrad entweder nicht mehr sicher zu bremsen ist oder die Laufräder überlastet.

Steht ein Anhänger zur Verfügung, kann das schwerste Gepäck dort verstaut werden. Dies wirkt sich günstig auf das Fahrverhalten des Rades aus. Das Gesamtgewicht (Systemgewicht) von Fahrer, Fahrrad, Anhänger und Gepäck sollte aber 150-170 kg nicht wesentlich überschreiten.

Anforderungen

An ein Reiserad werden besonders hohe Anforderungen gestellt, die weit über die einfache Straßenverkehrstauglichkeit hinausgehen. Der Rahmen muss für die Anbringung mehrer Gepäckträger geeignet sein und soll auch schwer beladen ruhig geradeausfahren. Alle Komponenten sollen auf Fahrstrecken von mehreren tausend Kilometern starken Beanspruchungen standhalten. Stabilität ist im Zweifel wichtiger als Eigengewicht:

  • Steifer und ausreichend langer Rahmen mit tiefer Tretlagerposition
  • Steife Laufräder mit besonders belastbaren Speichen und Felgen (hinten möglichst 4-fach gekreuzte Speichen, evt. sogar 40 statt 36 Speichen), wasserdichten Lagern und widerstandsfähiger Bereifung. Kevlar-Einlagen können den Durchstich von Fremdkörpern vermindern, sind allerdings anfällig für spontanes Einreißen.
  • Ergonomische und auf den Fahrstil des Reisenden abgestimmte Sitzposition, die Erschöpfung und körperlichen Verschleiß vermeiden hilft:
    • Ein steiles Sattelrohr (die Rahmenstrebe zwischen Tretlager und Sattel) verbessert die Kraftentfaltung beim Treten.
    • Bei unterer Pedalposition soll das Bein, aber nicht der Fuß, gestreckt sein.
    • Ein hochwertiger Sattel (meist Kernleder) vermeidet Druckstellen am Gesäß. Er soll schlank genug sein, um nicht an den Oberschenkeln zu reiben.
    • Ein etwas nach vorn geneigt montierter Sattel schont die Bandscheiben bei gebeugter Sitzposition.
    • Der Lenker soll mehrere Griffpositionen ermöglichen und so eingestellt sein, dass sich nicht nur die Haltung der Arme, sondern auch die der Wirbelsäule variieren lässt.
    • Rennhaken wie Klickpedale ermöglichen einen runden Tritt. Dabei ermöglichen Rennhaken das Fahren mit verschiedenen Schuhen und vermeiden außerdem die bei Rennhaken übliche direkte Übertragung von Vibrationen auf die Knie.
  • Berggängige aber auch hohe Geschwindigkeiten ermöglichende Schaltung. Geeignet sind sowohl herkömmliche Kettenschaltungen als auch die Rohloff-Nabe. Bei der Kette geht Längenstabilität (darf sich nicht zu schnell dehnen) vor Schaltfreundlichkeit.
  • Leistungsfähige Bremsen: Mit jeder alleine muss das Rad bei Regen auf Gefällestrecken zum Halten gebracht werden können. Cantileverbremsen sind heute Mindestanforderung. Der Umgang mit V-Brakes muss gelernt werden. Rücktritt- und Trommelbremsen können bei Bergabfahrten durch Überhitzung zerstört werden. Scheibenbremsen sind ungeeignet, weil bei hoher Gepäckbelastung Rahmen und Gabel verbiegen würden.
  • Stabile Gepäckträger und fahrfreundliche Gepäckverteilung:
    • Ein möglichst tiefer Schwerpunkt verbessert das Fahr- und Bremsverhalten.
    • Die Anordnung sperriger Gepäckstücke hinter dem Radler und gegebenenfalls in Längsrichtung vermindert den Windwiderstand.
    • Die vorderen Packtaschen sollten an einem Lowrider (Fahrradgepäckträger) hängen, nicht zu voluminös sein und die schwersten Teile der Ausrüstung enthalten.
    • Eine Lenkertasche mit Klarsichthülle für Landkarten ist unerlässlich.
    • Voluminöse Teile gehören an oder auf den hinteren Gepäckträger.
    • Im Rahmendreieck kann außer den Trinkflaschen noch eine kleine Tasche angebracht werden.
    • Ein sorgfältiges Austarieren der Gepäcklast zwischen rechts und links wurde früher dringend empfohlen, ist aber nicht einmal bei den Lowridertaschen erforderlich. Eine logische Packordnung (z.B. eine Tasche für Kleidung, eine für Werkzeug und Verbandszeug usw.) beschleunigt das Ein- und Auspacken.
  • Zwei oder drei Trinkflaschenhalter: Da die Schraublöcher in vielen Rahmen ungünstig angebracht sind, sollten sie auch mit Schlauchschellen zu befestigen sein. Evt. Spezialhalter für größere Flaschen (z. B. Campa Aero)
  • Betriebssichere Beleuchtung, evt. Nabendynamo
  • Evt. Rückspiegel, erleichtert souveränes Verhalten im Straßenverkehr und das Fahren in einer Gruppe
  • Selten Federungselemente (Federelemente sind mögliche Defektquellen). Handelsübliche Federungen sind nicht auf die hohen Gewichte ausgelegt. Die Fertigung spezieller Reiseradfederungen wurde wegen mangelnder Nachfrage aufgegeben. Reiseräder mit Federung wären ein Widerspruch in sich, da die Stabilität in jedem Fall leidet.

Bei den Komponenten erfordern die Ansprüche besonders hoher Belastbarkeit und universeller Reparaturfähigkeit hin und wieder einen Komromiss (Vgl. Nabendynamo und Hydraulikbremsen)

Selbst hochwertigste Komponenten halten an Reiserädern nur einige zehntausend Kilometer. Dies liegt an der überdurchschnittlichen Belastung durch die hohe Zuladung. Deshalb findet man an Reiserädern oft die hochwertigsten Gruppen von Renn- oder Mountainbike- Komponenten. Der Anschaffungspreis von Reiserädern liegt daher meist im vierstelligen Bereich.

Nicht selten werden Reiseräder speziell für den Kunden angefertigt, hierbei wird die Körperbeschaffenheit des Kunden bei der Fertigung des Rahmens berücksichtigt. Spezielle Körpervermessungsprogramme ermöglichen es auch, dass sich Reiserad-Interessierte selbst vermessen und so aus der Reihe der Serien-Reiseräder das passende heraus suchen. Bein- und Oberkörperlängen bestimmen hier maßgeblich die Geometrie des Rahmens. Persönliche Vorlieben wie Nachlaufeigenschaften können ebenso berücksichtigt werden wie Radstand und spezielle Schaltungen und Bremsen, welche besondere Anlötsockel benötigen (Scheibenbremsen, Rohloff-Nabe etc.). Leider verkennt die Geometrie vieler Rahmen den Unterschied zwischen Komfort für aktive Bewegung und dem Komfort für schlaffes Sitzen. Diesem Mangel kann durch kreativen Umgang mit Sattelstützen teilweise abgeholfen werden.

Maße am Rad

Zur Maßbestimmung des Reiserades können die Methoden der Vermessung eines Rennrades in etwas abgewandelter Form angewandt werden: Der Sattel wird waagerecht eingestellt, ist so hoch wie der Lenkerbügel in der Mitte. Die Sattelspitze befindet sich lotrecht etwa 5 cm hinter der Tretlagerachse. Hockt man sich neben das Rad und hat den Sattel in der Achselhöhle, soll man mit ausgestrecktem Arm mit dem Mittelfinger die Tretlagerachse erreichen. Der Lenkervorbau wird so gewählt, dass man, wenn der Ellenbogen an der Sattelspitze ist, der Mittelfinger bis zum Lenkerbügel reicht. Beim Sitzen auf dem Rad sollte man mit ausgestrecktem Bein mit dem Hacken das Pedal erreichen. Diese Regeln gelten für normal gebaute Menschen, wenn man abweichend lange oder kurze Arme oder Beine hat, kann dies nur eine grobe Orientierung darstellen. Frauen haben vergleichsweise längere Beine und fahren deshalb lieber kürzer gebaute Rahmen.

Alternativen

Aus Kostengründen dienen nicht selten andere Fahrradtypen (zum Beispiel Rennrad, Tourenrad oder Trekkingrad) als Grundlage für Reiseräder und werden auf die Bedürfnisse des Reisenden angepasst. Derartige Räder können nicht so stark belastet werden wie echte Reiseräder, sind aber leichter. Die Ausführung mit einem langgestreckten Rennradrahmen und Rennradlenker wird auch als Randonneuse bezeichnet.

Mountainbikes sind nur geeignet, wenn sie sehr groß sind, weil der Fahrer beim Treten sonst mit den Fersen an die Packtaschen stößt. Es können nur ungefederte Mountainbikes sinnvoll zu Reiserädern umgebaut werden.

Liegeräder sind wegen des niedrigen Schwerpunkts auch im beladenen Zustand sehr stabil. Je nach Modell ist der die Gepäckmitnahme allerdings begrenzt. Allerdings gibt es spezielle Reiseliegeräder, die für große Lasten zugelassen sind. Bei Fahrten in entlegene Gebiete kann zudem die Ersatzteilbeschaffung mancher Komponenten (kleine Laufräder, Speziallenker) ein Problem sein.

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